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Bundesverband Geriatrie prognostiziert altersmedizinische Unterversorgung

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Die neue, 4. Auflage des Weißbuchs Geriatrie zeigt deutlich verschärften Handlungsbedarf

Mit über 50.000 zusätzlichen Behandlungsfällen müssen stationäre und teilstationäre geriatrische Kliniken und Rehabilitationskliniken bis zum Jahr 2030 rechnen. Diese und weitere Analysen legt der Bundesverband Geriatrie mit seinem neuen Weißbuch vor, das am 27. April auf einer Pressekonferenz in Berlin präsentiert wurde. Die neue, vierte Auflage enthält verlässliche Bedarfszahlen rund um die größte Nutzergruppe des Gesundheitswesens. „Unsere Erhebungen bieten die Basis für eine zukunftsorientierte Reform der Krankenhausversorgung, die diese Entwicklungen sachgerecht und damit zukunftsorientiert aufgreifen muss,“ resümiert Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Musolf.


Herausforderung Babyboomer

Die Prognose des Versorgungsbedarfs ist notwendig, um geriatriespezifische Versorgungsstrukturen längerfristig zu gestalten. Dabei ist unbestritten, dass durch die Babyboomer-Generation der Bedarf in den nächsten Jahren erheblich anwachsen wird. Die konkrete Schätzung des Verbandes, in welcher Größenordnung sich dieser Anstieg auf der Basis von 2019 in den Fachabteilungen der Krankenhäuser im Jahr 2030 darstellen wird, geht von über 10 % aus (+ 38.227 Fälle). Für die geriatrische Rehabilitation wird eine Steigerung von 9,8 % erwartet (+ 12.415).

Diese demografisch bedingten Effekte machen nach Erwartungen des Verbandes zusätzliche Betten erforderlich: in Kliniken für Geriatrie 1.238 und in geriatrischen Reha-Einrichtungen 520. Bereits zwischen 2013 und 2017 waren die Fallzahlen allein in geriatrischen Krankenhäusern um 27 % gestiegen.

Doch greift zu kurz, wer nur die demografische Entwicklung allein betrachtet, erläutert Verbands-Geschäftsführer Dirk van den Heuvel: „Um den tatsächlich benötigten Bedarf abzubilden, müssen auch Patientinnen und Patienten mit geriatrischem Profil in anderen medizinischen Disziplinen einbezogen werden.“ Um diese Gruppe eindeutig zu identifizieren, wird als Kriterium die Dokumentation von zehn oder mehr spezifischen Nebendiagnosen herangezogen, aufgrund derer bei Menschen über 70 Jahren von einer geriatrietypischen Multimorbidität ausgegangen werden kann.


Mehr Kapazitäten, bessere Erreichbarkeit in der Fläche

Legt man nun die vorsichtige Schätzung zugrunde, dass 10 % der Patientinnen und Patienten anderer Fachdisziplinen in Krankenhäusern geriatrisch versorgt werden müssen, so ergibt sich ein zusätzlicher Kapazitätsbedarf von rund 5.860 Betten in Kliniken für Geriatrie und 800 Betten in geriatrischen Reha-Kliniken. „Diese Zahlen zeigen: Der Handlungsbedarf wird sich noch einmal deutlich verschärfen“, unterstreicht Musolf.

Hinzu kommt, dass die Versorgung auch flächendeckend und regional, also wohnortnah sein muss. Hier zeigt die Analyse, dass es derzeit längst nicht überall möglich ist, Kliniken für Geriatrie innerhalb von 25 Minuten zu erreichen. Ähnliches gilt für geriatrische Reha-Einrichtungen, die deutschlandweit nicht überall innerhalb eines Fahrzeitradius von 45 Minuten vorhanden sind. Diese Lücken bestehen insbesondere außerhalb von Ballungsräumen und in ostdeutschen Regionen.


Angemessene Planzahlen für realistische Planung

Geriatrische Patientinnen und Patienten haben einen Rechtsanspruch auf angemessene gesundheitliche Versorgung. Um diesen abzusichern, hat der Bundesverband Geriatrie bereits 2022 in seinem Bundesweiten Geriatriekonzept aufgrund verschiedener Kriterien als Soll-Vorgabe 50 geriatriespezifische Betten je 10.000 Einwohner entwickelt. Sie verteilen sich folgendermaßen: 38 Betten in Kliniken für Geriatrie, 12 Betten in geriatrischen Rehakliniken. „Diese Vorgabe wird derzeit ausschließlich in einem Bundesland annähernd erfüllt, deutschlandweit wird sie in Kliniken mit derzeit durchschnittlich ca. 17 geriatriespezifischen Betten um ca. 54 % unterschritten“, benennt van den Heuvel die Fakten. „In geriatrischen Reha-Einrichtungen liegt der deutschlandweite Schnitt bei ca. sechs Betten.“ Einzelne Bundesländer halten gar keine Kapazitäten in geriatriespezifischen Rehabilitationskliniken vor.

Der Verband befasst sich seit der 1. Auflage des Weißbuchs Geriatrie 2010 mit zukünftigen Versorgungsbedarfen und hat dabei festgestellt, dass seine Vorausschauen oft von der Realität überholt werden: So lag 2010 beispielsweise die aufgrund demografischer Effekte geschätzte Anzahl geriatrischer Patientinnen und Patienten im Krankenhaus für das Jahr 2020 bei 274.926 (Reha: 114.955). Tatsächlich betrug die Anzahl altersmedizinischer Fälle dort aber bereits im Jahr 2019 374.462 (Reha: 126.444). Dazu dürften unter anderem der bisher erfolgte Ausbau geriatriespezifischer Versorgungsstrukturen, die zusätzliche Versorgung von Patientinnen und Patienten anderer Fachbereiche sowie der medizinische Fortschritt beigetragen haben.

Das Weißbuch Geriatrie kann ab sofort im Buchhandel oder beim Verlag Kohlhammer bestellt werden (ISBN 978-3-17-043057-0).

 
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