Bundesweites Geriatriekonzept nimmt Fahrt auf

VERÖFFENTLICHT:

Pünktlich zur ersten Sitzungswoche des Bundestags nach der Sommerpause hat der Bundesverband Geriatrie das bundeseinheitliche Geriatriekonzept im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert. Die detaillierte Planungsgrundlage für die zukünftige, bundesweit einheitliche und spezifische Versorgung betagter und hochbetagter Patientinnen und Patienten fand großes Interesse bei den Medienvertretern. Das Konzept beschreibt eine Reihe struktureller Innovationen, die perspektivisch in die Versorgungspraxis überführt werden und die bedarfsgerechte Fort- und Weiterentwicklung der Geriatrie gewährleisten sollen.

Geriatriespezifische Versorgung ist vergleichbar der medizinischen Grundversorgung flächendeckend sicherzustellen, wofür erstmalig entsprechende Planungsparameter festgelegt wurden. Zudem soll die Geriatrie als medizinische Disziplin vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und seiner Herausforderungen als eigenständiger Kooperationspartner aller Akteure des deutschen Gesundheitswesens wahrgenommen und in die notwendigen Entwicklungsprozesse für eine spezifische altersmedizinische Versorgung wachsender Patientengruppen regelhaft eingebunden sein.

Geriatrie gesundheitspolitisch positionieren

Mit dem bundesweiten Geriatriekonzept liegt nun erstmals eine einheitliche konzeptionelle Planungsgrundlage vor, die diese Zielsetzung sowie die bestehenden Strukturen der Versorgung berücksichtigt und die politische Positionierung der Geriatrie innerhalb des deutschen Gesundheitswesens deutlich stärkt. Das Konzept ist damit ein Meilenstein der politischen Verbandsarbeit. Damit haben sowohl die Landesverbände als auch einzelnen Mitglieder eine gute Basis, sich auch regional für eine nachhaltige geriatriespezifische Versorgung stark zu machen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen versorgungspolitischen Herausforderungen und mit dem Ziel, die Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten in Deutschland dauerhaft weiter zu verbessern, benennt das Konzept insbesondere zwei versorgungspolitische Notwendigkeiten: Die bundesweite Planung der geriatriespezifischen Versorgung und die Zusammenführung der nicht-vollstationären geriatriespezifischen Versorgungsformen. Zu diesem Zweck soll die geriatriespezifische Versorgung als Teil der Grund- und Regelversorgung bundesweit auf Grundlage einheitlicher Kriterien (regionale Cluster, Fahrtzeitradien, Mindestanforderungen) verbindlich zu planen sein. Zudem sollen bisher getrennte Versorgungsangebote fachlich und strukturell zusammengeführt und bundesweit flächendeckend etabliert werden. Auch sieht das Konzept eine Vereinheitlichung von Begrifflichkeiten stationärer geriatrischer Einrichtungen vor und beschreibt mit „Spezialisierten Geriatrischen Versorgungseinheiten“ (SGV) optionale Versorgungsformen. Unter Federführung der Geriatrie sollen diese eine weiterführende, geriatriespezifische und interdisziplinäre Versorgung in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachgebieten sicherstellen.

Einheitliche Planungsgrundlage

Das bundesweite Geriatriekonzept beinhaltet u. a. erstmalig konkrete Bedarfszahlen für die zukünftige Ausgestaltung der geriatriespezifischen Versorgung in Deutschland. Dabei werden sowohl regionale Cluster beschrieben als auch mit 38 Betten (Krankenhausbereich) bzw. 12 Plätzen (Rehabilitationsbereich) je 10.000 Einwohner über 70 Jahre konkrete Betten- bzw. Platzzahlen für die stationäre Versorgung genannt, wobei die regionale Ausgestaltung der Versorgung mit zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus werden strukturelle und qualitative Mindestvorgaben definiert.

Kooperationsmodelle und Zusammenführung der Teilstationären Versorgungsformen

Neben den genannten wichtigen Planungsparametern werden mit den spezialisierten Geriatrischen Versorgungseinheiten (SGV) sowie den Ambulanten Geriatrischen Zentren (AGZ) zwei neue Versorgungsstrukturen vorgestellt. Sowohl SGV als auch AGZ verfolgen einen integrativen Ansatz, wobei die SGV das Ziel hat, mit anderen medizinischen Fachgebieten eine vertiefte fachgebietsübergreifende Behandlung zu ermöglichen.

Im AGZ verschmelzen die heutigen teilstationären Angebote von Tageskliniken, ambulanten Rehabilitationseinrichtungen, mobilen geriatrischen Einrichtungen und ggf. der Geriatrischen Institutsambulanzen organisatorisch und medizinisch-inhaltlich. Die heute getrennten Leistungen werden so zu einer neuen „komplexen“ und integrativen Leistungsart zusammengeführt, sodass zukünftig bedarfsbezogen die verschiedenen Inhalte der einzelnen Versorgungsleistungen frei kombiniert werden können. Diese Versorgungsstruktur kann zudem sehr flexibel und regional angepasst mit weiteren Aufgaben wie z. B. geriatriespezifischen Präventionsangeboten zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit oder zur Verbesserung der geriatriespezifischen Versorgung in Pflegeheimen betraut werden. Damit ergibt sich eine hohe Bandbreite bei der konkreten Umsetzung dieser Versorgungsform, die im Konzept näher dargestellt wird.

Ziel ist es, die geriatriespezifische Versorgung von betagten und hochbetagten Menschen entsprechend den individuellen Bedarfen der Betroffenen weiter zu verbessern. Das Konzept gibt dafür eine klare Planungsvorgabe an die Hand. Mit SGV und AGZ werden zwar zwei neue Versorgungsstrukturen entwickelt, gleichzeitig werden jedoch mit den geriatrischen Tageskliniken, der ambulanten Rehabilitation sowie der mobilen geriatrischen Rehabilitation bestehende Versorgungsstrukturen abgelöst, sodass es zu keinem ausufernden Anwachsen der Versorgungsformen kommt.

Geriatrie ist ein Querschnittsfach mit typischer multimorbider Klientel. Somit stellen sich zwangsläufig Fragen der Kooperation mit benachbarten medizinischen Disziplinen, aber darüber hinaus auch der fachlich-inhaltlichen Abgrenzung sowie der bedarfsorientiert begründeten zukünftigen Fort- und Weiterentwicklung der noch vergleichsweise jungen Disziplin. Historisch gewachsene spezifische Strukturen und eine im bundesweiten Vergleich heterogene Versorgungslandschaft mit landesindividuellen Ausprägungen und eigenen Konzepten haben bisher die bundespolitische Positionierung der Geriatrie gegenüber Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung erschwert.

Heute mit der strukturierten Planung beginnen

Die Herausforderungen des demografischen Wandels machen es erforderlich, heute mit der strukturierten Planung geriatriespezifischer Versorgungsstrukturen zu beginnen und diese Planungen in den kommenden Jahren in die Versorgungspraxis umzusetzen. Nur so kann das Gesundheitssystem zukünftig den Versorgungsbedarfen der dann prägenden Patientengruppe der betagten und hochbetagten Menschen inhaltlich sowie strukturell gerecht werden. Zudem werden sich die verschiedenen medizinischen Fachgebiete und Einrichtungen vermehrt auf die Versorgung betagter sowie hochbetagter Patientinnen und Patienten einrichten müssen. Dies erfordert eine engere Kooperation zwischen der Geriatrie und anderen medizinischen Disziplinen, aber auch mit anderen Akteuren und Institutionen aus Selbstverwaltung, Politik und Gesellschaft. Es gilt, versorgungspolitische wie auch wirtschaftliche Überforderungen zu vermeiden.

Interessierte finden sowohl das Geriatriekonzept als auch die Pressemitteilung prominent auf der Website des Bundesverbandes:

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 220831 Musolf Konzept

 Der Vorsitzende des Bundesverbandes Geriatrie, Dr. Michael Musolf, anlässlich der Pressekonferenz für das Geriatriekonzept. (© BV Geriatrie)