Ergebnisse aus den Arbeitspaketen des BV Geriatrie e.V. im Innovationsfondsprojekt TIGER
Im Innovationsfondsprojekt TIGER (Transsektorales Interventionsprogramm zur Verbesserung der geriatrischen Versorgung in Regensburg) begleiten sogenannte Pfadfinder*innen geriatrische Patient*innen als neue Versorgungsform bereits vor der Entlassung und darüber hinaus. Denn: Für geriatrische Patient*innen besteht zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung nach Hause die Gefahr einer Versorgungslücke und damit das Risiko einer notwendigen Wiedereinweisung. Deshalb beraten, schulen und organisieren die Lots*innen sowohl während des Klinikaufenthaltes als auch später im häuslichen Umfeld Hilfen und Hilfsmittel.
Das Projekt findet im Rahmen des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses statt, dessen Ziel die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist. Kernpunkt ist eine randomisierte kontrollierte Studie, welche in Regensburg am Krankenhaus Barmherzige Brüder durchgeführt wird. Das Interventionskonzept beruht auf dem wissenschaftlich evaluierten „Transitional Care Model“ (TCM), welches federführend von den US-Amerikanerinnen Naylor und Hirschman entwickelt und überprüft wurde. In dem Modell wurden neun Komponenten definiert, auf denen die Lotsenarbeit der Pfadfinder*innen im Projekt TIGER basiert.
Über die bisherige Regelversorgung hinaus
Die sektorenübergreifende Lotsenfunktion als eine über die bisherige Regelversorgung hinausgehende Leistung für geriatrische Patient*innen wird vom Bundesverband Geriatrie begrüßt. Aufgrund dessen wurde eine aktive Teilnahme am Projekt TIGER als Konsortialpartner vereinbart. Die nachstehenden Arbeitspakete wurden unter der Leitung des Bundesverbands Geriatrie e.V. gemeinsam mit dem Konsortialpartner des Instituts für Biomedizin des Alterns (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) bis Ende Februar 2021 bearbeitet.
Im ersten Arbeitspaket wurde eine international ausgerichtete Literaturübersicht zum Einsatz der neun TCM-Komponenten im Bereich der Geriatrie erstellt. Angesichts der definierten Ein- und Ausschlusskriterien konnten drei internationale, randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen werden, die die Komponenten des „Transitional Care Models“ in ihrer Intervention anwendeten. Hier zeigte sich, dass eine Anwendung einer hohen Anzahl an TCM-Komponenten für geriatrische Patient*innen (> 65 Jahre), kombiniert mit einer hohen Interventionsintensität in der Begleitung vom Krankenhaus nach Hause durch ein multiprofessionelles Team, die Krankenhauswiederaufnahmerate senken kann.
31 Projekte für den begleiteten Übergang
Die bundesweit erstellte Umfrage im zweiten Arbeitspaket ergab eine Anzahl von 31 Projekten, die sich mit dem begleiteten Übergang Älterer vom Krankenhaus nach Hause beschäftigten, wobei nicht alle derzeitig laufenden Projekte für die Untersuchung erreicht werden konnten. Insgesamt wurden alle neun TCM-Komponenten eingesetzt. Allerdings ist die Komponente zur Wahrung der Kontinuität, d.h., dass dieselbe Person aus dem stationären Bereich auch die Begleitung in die häusliche Umgebung übernimmt, in eher wenigen Interventionen verwendet worden. Auch die Komponente zur Stärkung des Selbstmanagements der Betroffenen wurde eher weniger häufig eingesetzt. Der ärztliche Dienst, die Pflege, das therapeutische Team und Mitarbeitende aus dem Bereich der Ernährung, der Pharmazie und des Sozialdienstes begleiteten den Übergang vom Krankenhaus nach Hause. Instrumente wie ein Patientenbuch oder eine elektronische Fallakte kamen zum Einsatz. Zumeist wurde der Kontakt zu den Betroffen über festgelegte Zeiträume als Telefonanrufe oder Hausbesuche umgesetzt.
Als Unterpaket wurden Teilnehmende des Fragebogens eingeladen, an einem Austausch bezüglich ihrer Projekte mitzuwirken, wofür 24 Personen ihr Interesse bekundeten. Die Umstände der SARS-CoV-2-Pandemie verursachten zunächst eine Verschiebung des geplanten Termins für den Präsenzworkshop und erforderten dann die Umgestaltung in einen Online-Expertenaustausch. Hierbei wurde über die Entstehung und die Gestaltung der Projekte sowie den Status der Verstetigung der Lotsenfunktion gesprochen und diskutiert.
Positive Rückmeldungen der Patient*innen
Über das Projekt TIGER hinaus nahmen fünf Projekte teil. Die Teilnehmenden berichteten von einem Versorgungsdruck oder auch von Spannungen zwischen den Sektoren, die zur Entstehung der Projekte geführt hatten. Die Initiierung erfolgte bei allen Projekten mit einer Ausnahme aus dem stationären Bereich heraus. Positive Rückmeldungen gab es vor allem von Seiten der Patient*innen. Auch ein minimierter zeitlicher Aufwand, z. B. durch die Messengerfunktion der elektronischen Fallakte, wurde erwähnt. Hausärzt*innen gaben an, dass der kollegiale Austausch vorteilhaft war. Schwierigkeiten wurden zum Beispiel bei der Identifizierung (Verantwortlichkeit, Kooperation) der Betroffenen genannt. Hierbei war zum Teil auch die Eigenwahrnehmung der Patient*innen oder die Kommunikation mit den Angehörigen problematisch. Die Implementation neuer Abläufe in etablierte Vorgänge wurde teilweise sowohl stationär als auch ambulant als störend empfunden oder gebremst.
Als entscheidende Faktoren, die zum Übertrag in den Regelbetrieb zuträglich wären, wurden unter anderem eine Verknüpfung von stationärer mit ambulanter Struktur, die bereits besteht, Interesse hat und in welche sich die Versorgung unkompliziert integrieren ließe, genannt. Darüber hinaus sei das Beachten von regionalen, strukturellen und konzeptionellen Unterschieden (auch das Geriatriekonzept) wesentlich. Innerhalb der Begleitung sollte die/der Lots*in, mit einem multiprofessionellen Team im Hintergrund, Lösungen anbieten und an entsprechende Stellen weiterleiten können (Koordination, Kenntnis von Netzwerken). Zudem sollte eine klare und zuverlässige Aufgabenverteilung bestehen. Angemerkt wurde, dass für den Zeitraum der Begleitung im häuslichen Umfeld ein konkreter Rahmen nicht entscheidend sei, sondern die stabile Versorgungssituation. Das heißt es sollte möglich sein, in einen Bereitschaftsmodus überzugehen, um danach wieder mit Ansprache aufsuchend zu wirken. Das Integrieren weiterer Instrumente wird befürwortet (Stichwort Digitalisierung).
BV entwickelt Handlungsempfehlungen
Im letzten Schritt der TIGER-Projektarbeit entwickelt der BV Geriatrie e. V. auf Basis der Ergebnisse aus den eigenen Arbeitspaketen wie auch aus den Ergebnissen der Regensburger Interventionsstudie und der Gesamtevaluation der neuen Versorgungsform eine Handlungsempfehlung zu möglichen Wegen, die Lotsenarbeit in die Regelversorgung zu übertragen.
Weitere Informationen zum Projekt TIGER unter:
https://www.iba.med.fau.de/forschung/tiger/